Integration Behinderter 

(aus dem Kurier am Sonntag v. 18.10.1998)
Mobil auch mit Behinderungen 
Immer mehr Autofirmen stellen sich auf die entsprechenden Bedürfnisse ein

Immer mehr Hersteller bieten für behinderte Autofahrer speziell umgebaute Fahrzeuge an. "Durch solche Fahrzeuge sind Behinderte nicht länger auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen, sondern können selbständig am Straßenverkehr teilnehmen und auch größere Reisen unternehmen", sagt Kurt Peters, Vertriebsleiter Sonderfahrzeuge bei Citroen Deutschland. In absehbarer Zeit wird laut Peters jeder Konzern behindertengerechte Fahrzeuge im Programm haben. "Kein Autohersteller wird es sich auf Dauer leisten können, Behinderte nicht zu bedienen", sagt Peters.
Die Aufklärungsarbeit von Verbänden und Hilfsorganisationen habe die Bedürfnisse der Betroffenen stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Aufgeweckt worden seien die Konzerne auch durch das Engagement zahlreicher kleinerer Aufbauhersteller.

Viele Spezialisten

"Diese Firmen sind zu uns gekommen, weil sie sich auf die Modifizierung von Fahrzeugen für die Bedürfnisse von Behinderten spezialisiert haben und dazu technische Daten über Karosseriestärke, tragende Teile und Schweißpunkte benötigten", sagt Peters. Zudem verlange das Kraftfahrt-Bundesamt bei größeren Karosserie-Veränderungen die Zustimmung des Fahrzeug-Herstellers. Aus diesen Anfragen sei häufig eine intensive Zusammenarbeit erwachsen.
Diverse Konzerne würden laut Peters heute mit den Aufbauherstellern beraten, wie ihre Modelle am besten an die Bedürfnisse angepaßt werden können. "Die Autohersteller haben erkannt, daß es für diese Fahrzeuge eine ständig steigende Nachfrage gibt." Jeder körperlich Behinderte könne bei Citroen-Händlern ein für seine Bedürfnisse zugeschnittenes Fahrzeug bestellen. Diesen Service bieten unter anderem auch Mercedes, Peugeot, Fiat, Renault und VW. Der Händler leite die Bestellung an die Zentrale weiter, die sorge dann dafür, daß ein Aufbauhersteller die Modifikationen vornimmt.

Anpassung wichtig

Ohne die Zusammenarbeit mit den Aufbauherstellern sei es nicht möglich, behindertengerechte Fahrzeuge zu bauen, sagt Mercedes-Benz-Sprecher Claws Tohsche. Für einen großen Konzern sei die Fertigung solcher Spezialfahrzeuge zu aufwendig und zu teuer. Eine Produktion größerer Stückzahlen sei gar nicht denkbar. "Jede Behinderung ist anders, deshalb benötigt auch jeder behinderte Autofahrer andere Speziallösungen in seinem Fahrzeug", sagt Tohsche. Daher sei es nicht möglich, ein für alle Behinderungen passendes Auto zu entwerfen. "Wir können nicht die Behinderung an ein Fahrzeug anpassen, sondern müssen das Fahrzeug der Behinderung anpassen."
Der Aufbauhersteller Reha Automobile in Bad Zwischenahn hat sich darauf seit 1990 spezialisiert. "Die Nachfrage steigt ständig", sagt Mitgesellschafterin Astrid Sonnen. 1993 habe die Firma rund 150 Fahrzeuge behindertengerecht umgebaut. Im Jahr zuvor waren es 120. Jüngst ist das Unternehmen mit seinen sieben Beschäftigten in eine größere Werkstatt umgezogen. "Sonst hätten wir Aufträge fremdvergeben müssen."
Vornehmlich modifiziert die Firma Fahrzeuge von Citroen, Ford, Peugeot, Mercedes und VW. "Diese Hersteller bieten uns die größte Unterstützung", sagt Astrid Sonnen. Schwieriger sei es bei koreanischen und japanischen Modellen. "Bei größeren Änderungen an der Karosserie ist es bei diesen Konzernen problematisch, die Werksfreigabe zu erhalten."
Am häufigsten ist laut Sonnen der Einbau sogenannter Ringgas-Anlagen gefragt. Dabei handelt es sich um einen in das Lenkrad um den Airbag herum gelegten Ring, der das Gaspedal ersetzt. "Damit können nicht nur Behinderte mit gelähmten Beinen das Auto fahren, sondern auch Menschen mit nur einem Arm." Sobald der Ring nicht mehr gedrückt wird, greifen automatisch die Bremsen. Für Notbremsungen gebe es zudem einen speziellen Bremsgriff.

Informationen: Reha Automobile, Im Doorgrund 13, 26160 Bad Zwischenahn (Tel.: 0 44 03 / 58 902). Reha Gruppe, Kleinülsen 41, 40324 Hilden (Tel.: 0 21 03 / 58 760). Ambulanzmobile, Systemtechnik Schönebeck, Glinder Straße 1, 39218 Schönebeck (Tel: 03928/403021). (gms)

umgebauter RENAULT Kangoo
Einfahrt mit dem Rollstuhl in einen vorbereiteten Renault Kangoo.
Auch in Bremen (Renault Keyssler) werden Fahrzeuge behindertengerecht umgebaut
Foto: Jochen Stoss