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Ein altes Haus am Marktplatz

Das Foto von 1920 zeigt ein altes, bodenständiges Geschäftshaus, das über 250 Jahre am Marktplatz steht, „An der Lesumer Kirche“ Nr.6, (früher „An der St. Martini Kirche“). Kaufmann RONSTORF soll auf dieser Stelle um 1700 gewohnt haben. Anno 1800 war hier in diesem Fachwerkhaus der Pensionär-Wachtmeister Jürgen Wilhelm SANDER als Kaufmann tätig. Als er und später die Witwe verstorben war, betrieb hier Johann Christian ALTMANN, der Sohn eines bremischen Bürgers und Handschuhmachers, eine Krämerei. Ihm folgte 1833 der Kötner und Tabakfabrikant und Gastwirt August Friedrich Wilhelm MEYER (genannt „Prinzip-Meyer“).

Nach seinem Tod 1871 übernahm der zweite Sohn Fritz das Geschäft. Unverheiratet starb er 1878 und so fiel Haus und Geschäft als Erbe an die Schwester Beta. Sie hatte sich mit dem Steuermann Hermann BEHRMANN aus Grohn verheiratet, aber sein Schiff verscholl. Da freite 1880 der Nachbarsohn Hinrich SCHMIDT die damals 37 jährige Witwe. Beta (Beetjen genannt) und Hinnerk führten in diesem Haus eine gemütliche Gaststube mit dem Namen „Börse“ und einen kleinen Kramerladen mit den gängigen Kolonialwaren. Nur das Schaufenster links (siehe Bild) verriet mit seinen Auslagen die Krämerei. Beim Eintritt durch die Haustür mit dem Oberlichtfenster auf die große Diele schaute man gleich auf dem Tresen. Davor standen dicke Fässer mit Sauerkraut und Heringen, dort gab es Säcke mit Reis, Rohkaffee, Mehl und Linsen. Auf dem Tresen stand die große Balkenwaage, Gläser mit Bonbons, Lakritzen und Vanille. Unter der Decke baumelten Holzschuhe und Pantinen. Dahinter in den Fächern der Regale die Krüge mit Öl, Essig und Senf, darüber Zucker, Salz und Gerste. Auf den Borten Seifenpulver, Kernseife und sonstige Putzmittel, alles im allem eine Krämerei ländlicher Prägung um die Jahrhundertwende.

Der Gastraum befand sich rechts vom Eingang, wo die Gäste ihr Bier und Korn ausgeschenkt bekamen, und Erfahrungen in gemütlicher Runde ausgetauscht wurden. Damals hatte man noch Sinn und Zeit für Gemütlichkeit, und an Kunden fehlte es nie. So gehörten zu den Stammgästen u.a. Bauer MAHLSTEDT, Gemeindevorsteher Louis SEEGELKEN, Ferdinand OTTO aus dem Rotsteinbau neben dem Haus von d’Oleire (heute Textilgeschäft „Tim & Christin“) und der Kirchendiener und Friedhofschef Diedrich ROSE, der gleich nebenan wohnte.

Nach Hinrich SCHMIDTs Tod verkaufte Witwe Beetjen (geb. MEYER) 1907 das Haus an den Uhrmacher Gerhard RENKEN, und zog in das Elternhaus ihres verstorbenen Mannes. RENKEN ließ es innen für seine Geschäftstätigkeiten umgestalten. Während des Ersten Weltkrieges, als Gerhard RENKEN als Soldat im Felde war, führte seine Frau Frieda das Uhren-, Gold- und Silbergeschäft weiter. Als gelernter Im- und Exportkaufmann wandte sich dann Gerhard RENKEN, jun. nach dem Zweiten Weltkrieg dem Geschäft zu und baute es mit Hilfe der Eltern weiter aus. Nach dem Tod des Geschäftsgründers im Jahre 1950 übernahm der Sohn das Unternehmen, wobei Frieda RENKEN ihn bis in ihr 87. Lebenjahr unterstützte. Gerhard RENKEN jun. erweiterte das Geschäft nach seinen Vorstellungen. Ein hinterer Anbau zum Wohnen kam später dazu und das gesamte Gebäude konnte als Warenhaus eingesetzt werden. So bot RENKEN u.a. Uhren, Porzellan, Haushaltwaren aller Art, Gartengeschirre, Werkzeuge und Spielsachen zum Verkauf an, so daß kaum gängige Artikeln fehlten. Nach seinem plötzlichen Tod am 05.02.1987 übernahm seine Witwe das Unternehmen, tatkräftig unterstützt von Anna RENKEN und Anke WÜRDEMANN. Frau RENKEN, geb. WITTE, beschloß die Geschäftsaufgabe am 31.12.1989. Sie starb 1999.
(Übrigens: Frau Ingeborg Renken, geb. Witte, ist die Tochter des letzten Inhabers des Gasthauses „KURPARK BURGDAMM“ an der Stader Landstraße. Das imposante Gebäude brannte am 29.10.1915 ab.)

Im Jahre 1990 wurde das alte Haus An der Lesumer Kirche Nr.6 noch einmal groß umgestaltet. Rechtsseitig im Hause wurde eine Zwischenwand von Maurer SCHNIPPEN heraus genommen. Von der ehemaligen Gaststube und der dahinterliegenden Küche wurde ein Großraum geschaffen. Erika THOMASSOHN pachtete die Geschäftsräume und richtete hier ein Institut für Kosmetik und Solarium ein. Etwa nach 8 Jahren gingen die Ladenräume an Martina TAMS über. Sie handelt mit Stoffen und gibt Mode-, Farb-, Stil- und Make-up Beratung unter den Namen „TOGA“. (Vermerkt: November 1999)

Eine Aufnahme von dem früheren Wohn- und Küchen-Bereich ist vorhanden. Der vordere Raum an der Straßenfront diente einstmals als Gaststube. Erwähnenswert ist hierbei, daß im Februar 1990 bei der räumlichen Erweiterungsarbeit und Herausnahme einer Zwischenwand im rechten Teil des Hauses, Bausteine in der Größe von 8 X 15 X 30 cm (Klosterformat) gefunden wurden. Es wird vermutet, – so Mauerer SCHNIPPEN – daß die Steine mit größter Wahrscheinlichkeit aus der Zeit stammen, als die Lesumer Kirche 1778 den erweiterten Wiederaufbau erhielt.

Lesumer Geschichte, zusammengefaßt aus schriftlichen Quellen von Wilfried Hoins.